Vorsteuerabzug auf Abbruchkosten: alles klar?

MWST
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Angelina Sulzer
Angelina Sulzer
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5.9.2024
Vorsteuerabzug auf Abbruchkosten: alles klar?

Jedes Mal, wenn wir nach einem Gerichtsurteil denken: «So, jetzt haben wir Klarheit!» kommt das nächste Gerichtsurteil, das das ursprünglich Entschiedene verneint und dann verstehen wir die Welt nicht mehr…

Sachverhalt

Die B. AG war Eigentümerin eines Grundstücks mit einer Fabrikliegenschaft für ihre operative Tätigkeit und teilte der ESTV mit, dass sie auf dem Grundstück die operative Tätigkeit einstellen und das Areal im Sinne einer Zwischennutzung mit Option an Dritte befristet bis März 2020 vermieten wird. Nach der Umzonung des Grundstücks aufgrund des Wohnüberbauungsprojekts der B. AG wurde das Grundstück an die A. AG mit Option verkauft. Die A. AG verlängerte die Laufzeit der übernommenen optierten Mietverträge.

Grundsatz

Die steuerpflichtige Person kann im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit die von ihr wirtschaftlich getragenen Vorsteuern abziehen, soweit sie nachweist, dass sie diese bezahlt hat. Dadurch wird mit der Mehrwertsteuer der nicht unternehmerische Endverbrauch im Inland besteuert. Die gesetzliche Grundlage für die Einschränkung der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs findet sich in Art. 29 MWSTG. Die Norm lautet in den drei Amtssprachen wie folgt:  

"Kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht bei Leistungen, die für die Erbringung von Leistungen, die von der Steuer ausgenommen sind und für deren Versteuerung nicht optiert wurde, verwendet werden."

Entwicklung der richterlichen Sichtweise

Bundesverwaltungsgerichtsurteil A-1436/2020 vom 22. September 2020 (BVGer)

In unserem MWST-Blog vom 7.10.2021 haben wir das Urteil des BVGer begrüsst. Darin wurde klar und deutlich erklärt, dass jedes Gebäude drei Phasen (Erstellung, Betrieb und Abbruch) durchläuft und der Eigentümerwechsel nichts daran ändert, sondern der Vorsteuerabzug auf den Abbruchkosten davon abhängt, während welcher Phase der neue Eigentümer das Gebäude erworben hat. Somit wurde die Sichtweise des Käufers bestätigt und die Geltendmachung der Vorsteuer auf den Abbruchkosten bejaht.

Vorsichtshalber haben wir damals erwähnt, dass die ESTV das Urteil angefochten hat. Zurecht.

Bundesgerichtsentscheid 2C_876/2020 vom 13.09.2022

Das Bundesgericht hat sich gegen die Sichtweise des Käufers entschieden und den Vorsteuerabzug auf den Rückbaukosten verneint.

Somit haben wir aktuell die folgende MWST-Regelung:

Ein Gebäude durchläuft im Verlauf seines Bestehens drei Phasen ("Erstellung", "Betrieb", "Rückbau"). Die Zugehörigkeit zu einer dieser drei Phasen ist aus der Sicht des jeweiligen Grundeigentümers zu beurteilen.

Rückbaukosten durch den bisherigen Eigentümer

Der Rückbau vom unbeweglichen Vermögen stellt sich als letzte Phase der unternehmerischen Nutzung des Gebäudes dar.

Die rückbaubedingten Vorsteuern berechtigen zum Vorsteuerabzug, falls das Gebäude im Rahmen der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit für steuerbare Ausgangsleistungen genutzt worden war.  

Rückbaukosten durch den neuen Eigentümer

Wenn ein neuer Eigentümer die Liegenschaft erwirbt, abbricht und neuen Zwecken zuführt, erfolgt der Rückbau ohne "vorangehende unternehmerische Nutzung des Gebäudes zu steuerbaren Zwecken". Die rückbaubedingten Vorsteuern fallen diesfalls im Hinblick auf die zukünftige Nutzung an, nämlich die Vermietung einer Wohnüberbauung ohne die Möglichkeit der Option, weshalb ihre Abzugsberechtigung i.S. von Art. 29 MWSTG zu verneinen ist.

Steuerbare Zwischennutzung durch den neuen Eigentümer

Im vorliegenden Fall erachtet das Bundesgericht die Zwischennutzung durch den neuen Eigentümer als reine Nebentätigkeit, die für einen Rückbau im Rahmen der bisherigen Nutzung des Gebäudes zu steuerbaren Zwecken nicht gewichtig genug ist, hält zugleich aber fest, dass nicht jede Art von Zwischennutzung als unzureichende steuerbare Nutzung im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit zu würdigen wäre. Das muss im Einzelfall geprüft werden.

Fazit

Dieses Bundesgerichtsentscheid zeigt einmal mehr, dass bei der Veräusserung von Immobilien viele MWST-relevanten Fragen zu berücksichtigen sind und viel Optimierungspotential besteht.

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