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Vorbemerkung:
Unser Anlass Blaues Band 2021 findet nicht statt. Wir intensivieren dafür unsere Blog-Tätigkeit für Sie.
Unsere letzten 2 Beiträge der Reihe waren:
- Neue Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen - Wie weiter für Start-Ups?
- Neuerungen bei der Mehrwertsteuer 2021
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Rückerstattung deutscher Kapitalertragssteuer (Quellensteuer) bei einer Anpassung der Verrechnungspreise
I. Ausgangslage/Sachverhalt
Eine schweizerische Kapitalgesellschaft (Vertrieb) produzierte in einer deutschen Kapitalgesellschaft. Im Rahmen einer Betriebsprüfung kamen die deutschen Betriebsprüfer zur Überzeugung, dass die verrechneten Kosten zu tief seien und nahmen eine Aufrechnung mit den diesbezüglichen Steuerfolgen (Körperschaftssteuer/Gewerbesteuer) vor. Konsequenterweise entsteht in der Schweiz ein grösserer Aufwand, was zu einer Steuerminderung führt und bei offenen Veranlagungen ohne Weiteres anerkannt wird. Da die aufgerechnete Leistung ja in der Schweiz verbleibt, liegt im Ergebnis eine Gewinnausschüttung vor, die in Deutschland mit der Kapitalertragssteuer – unsere Verrechnungssteuer – erfasst wird. Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit Deutschland ist die Kapitelertragssteuer (25% +Solidaritätszuschlag) bei einer Beteiligung von über 10% (in casu 100%) vollständig rückforderbar.
II. Rückerstattungsantrag
Das benötigte Formular R-D-2 ist vierseitig auszufüllen. Es wird bei der kantonalen Steuerverwaltung eingereicht – die kantonale Steuerverwaltung leitet es weiter an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) und die ESTV dann an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Das Formular muss spätestens am 31. Dezember des vierten auf den Zufluss des Ertrages folgenden Kalenderjahres beim Bundeszentralamt eintreffen, was im Merkblatt mit dem Hinweis versehen wird, dass das Formular am 1. Oktober der kantonalen Steuerbehörde eingereicht werden sollte. Mit der Einreichung bei der kantonalen Steuerverwaltung verlässt das Formular den Einflussbereich des Steuerpflichtigen. In unserem Fall blieb der Antrag zuerst bei der kantonalen Steuerverwaltung und anschliessend bei der ESTV liegen und fand erst nach der erwähnten Frist (31. Dezember) den Weg nach Deutschland. Das Bundeszentralamt stellte sich auf den Standpunkt die Einreichung sei verspätet, da es sich bei dieser Einreichungsfrist um eine Verwirkungsfrist handle und dem entsprechend könne dem Rückerstattungsantrag nicht mehr nachgekommen werden.
III. Der Streit
Die Juristen in Deutschland wie in der Schweiz wurden tätig. In der Schweiz stellte sich die Frage, ob im Ergebnis allenfalls eine Doppelbesteuerung droht, ein Verständigungsverfahren einzuleiten wäre und ob nicht die Voraussetzung einer Staatshaftung durch den Kanton und die ESTV wegen des Liegenbleibens der Unterlagen vorliegt. In Deutschland wurde primär eine Klage beim Finanzgericht Köln eingereicht. Es wurde geltend gemacht, dass der Ablauf der Frist nach deutschem internen Recht zwar vorläge, aber das Doppelbesteuerungsabkommen anwendbar und auf die diesbezügliche Frist wie auch die Einreichung in der Schweiz abzustellen wäre. Bereits in einem Verständigungsverfahren aus dem Jahr 1972 hatte man sich nämlich darauf geeinigt, dass Anträge auf Entlastung über die Schweiz zentral über das damalige Bundesamt für Finanzen (neu BZSt) einzureichen wären. Im Formular wird dann auch darauf hingewiesen, dass zur Fristwahrung Anträge auf Erstattung bis spätestens drei Monate vor dem Fristablauf bei der kantonalen Steuerverwaltung eingereicht werden sollten.
Es war gänzlich unbestritten, dass im ganzen Verfahren – in casu einem Freistellungsverfahren – die Fristen eingehalten wurden, einzig die deutsche Behörde stellte sich auf den Standpunkt es seien alleine die innerstaatlichen Regeln anzuwenden.
IV. Der Entscheid/Schlussfolgerung
Das Finanzgericht Köln entsprach der Klage und das Bundeszentralamt für Steuern erliess einen Bescheid über die Freistellung und Erstattung nach über 3 Jahren seit dem Rückerstattungsgesuch.
Es liefen im ganzen Streit namhafte Kosten für das schweizerische Unternehmen auf, die durch das Unternehmen zu tragen waren. Kann sich das jedes Unternehmen leisten? Man muss sich auch vor Augen halten, dass es sich um ein Massenverfahren handelt, welches in hunderten von Fällen zur Anwendung kommt. Aus den Formulierungen des Merkblattes hat man nicht den Eindruck, es könnte sich um eine nach schweizerischem Verständnis (deutsche) Verwirkungsfrist handeln. Klare vertragliche Regeln werden anscheinend in Deutschland nicht angewendet, weil internes Recht als sakrosankt angesehen wird. Was muss man daraus lernen? Im Zweifel sollte man sich in solchen Fällen wohl eine Rückbestätigung durch die ESTV geben lassen.